Die meisten Artikel schreibe ich, zumindest in Stichpunkten, im Kopf. Meistens unter der Dusche, im Bett oder auf dem Fahrrad. Da ich mir Sachen nicht so gut merken kann, bis ich mal wieder vor einer Tastatur sitze, werden die meisten Gedanken am Ende dann doch keine Artikel.
Der heutige Artikel, der eigentlich auch wie so viele andere gar nicht erst entstanden wäre, hätte den Titel: „Warum ich nicht mehr auf Flohmärkte gehe“. Er wäre in etwa so gegangen:
Heute war ich mal wieder auf einem Flohmarkt. Ich habe aber nichts gekauft — irgendwie gibt es da dann mittlerweile ja doch fast nichts mehr zu finden. Würde man ehrlich durchsortieren, könnte man ca 50% der angebotenen Waren sofort entsorgen, weil gleich auf den ersten Blick offensichtlich wird, dass es sich um Ramsch handelt, den sich die Besitzer noch nicht getraut haben, wegzuwerfen, obwohl klar ist, dass niemand mehr etwas damit anfangen kann: Spiele, bei denen Teile fehlen, Werbegeschenke, selbstgebrannte CDs.
Aber auch beim Rest werde ich nicht fündig, bei Kleidung z.B. — nur ganz selten mal. Das liegt auch daran, dass 80% aller Kleidung Damenkleidung ist. Ich weiß nicht, was Männer da tendenziell anders machen, dass sie auf dem Flohmarkt eher wenig anzubieten haben. Ich vermute, dass da zusammenkommt, dass sie eher funktional einkaufen und Dinge tragen, bis sie kaputt gehen und dass ihre Kleidung weniger besonders ist und daher beim Sortieren der abgelegten Teile das meiste eben gleich im Altkleidersack landet (da klar ist, dass niemand Interesse an einem beigen ausgebeulten Baumwollpullover hat — jedenfalls nicht an noch einem).
Da gibt’s einfach nichts, und wenn es doch mal Sachen mit Wert sind, dann sind sie auch gebraucht noch zu teuer und sowieso nicht in meiner Größe. Der Aspekt der Größe ist es auch, der dann die möglicherweise interessanten Stücke an Damen- und/oder Unisex-Kleidung unattraktiv macht, für Schuhe gilt dasselbe.
Aber es gibt ja nicht nur Kleidung. Es gibt alles. Nur das Besondere fehlt — wer schlau ist, hat das im Vorfeld natürlich schon auf ebay verkauft. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, ich hab es ja selbst schon genau so gemacht. Was bleibt, ist das Mittelfeld: Schmuck, Bücher, Tonträger und Abspielgeräte. Das wenigste davon will ich haben, inzwischen bin ich ja dankbar für alles, das virtuell ist und keinen Raum einnimmt.
Insofern stelle ich mir die Frage: Warum laufe ich da eigentlich immer noch hin und schau mir die Stände genau durch? (Das ist dann auch der Moment, wo ich merke, grübelnd auf dem Fahrrad sitzend, dass der Artikel nicht unbedingt geschrieben werden muss. Ich kenne nämlich genug Menschen, die schlauer sind als ich, und sich genau das schon vor 10 Jahren überlegt haben und sich seitdem nur noch widerwillig auf Flohmärkte bewegen lassen. Und einen Artikel, auf den man hauptsächlich mit „Merkste selber, ne?“ antworten kann, muss man vielleicht nicht schreiben.)
Ich glaube, es liegt daran, dass ich zweimal Glück und einmal Pech auf Flohmärkten hatte. Einmal fand ich, vor 15 Jahren, ein frühes seltenes „Star Trek“-Buch; eine deutsche Übersetzung in einem Kinderbuchverlag aus den späten 60ern, bevor die Serie überhaupt im Fernsehen lief. In der deutschen Bearbeitung waren thematische Anpassungen vorgenommen wurden, außerdem gab es skurrile Zeichnungen, die ein deutscher Illustrator dem Text zur Seite gestellt hatte, offenbar ohne zu wissen, dass das Buch seinerseits auf einer amerikanischen Fernsehserie beruhte. Insofern ein interessantes Sammlerstück. Das Buch habe ich für 1 DM mitgenommen und später irgendwann mal für deutlich mehr weiterverkauft.
Das andere Mal kaufte ich für 15 Euro ein Casio-Keyboard, dass sich aufgrund seiner Schaltung einige Zeit später durch Anleitungen im Internet als beliebtes Objekt für künstlerische Manipulation herausstellte. Als ich ein, zwei Jahre danach dasselbe Gerät noch einmal auf einem Flohmarkt entdeckte, ließ ich es stehen, weil es 20 Euro kosten sollte und auch etwas dreckig war. Daheim habe ich dann herausgefunden, dass es im Internet in Zwischenzeit für eher 100 Euro gehandelt wurde.
Insofern ist es bei mir wohl der Casio-Fluch: Ich warte seitdem (und das ist schon bestimmt 6 Jahre her) darauf, dass sich dieses Pech (und zwar ja nur das Pech, ein gutes Geschäft verpasst zu haben) irgendwann mal wieder ausgleicht — indem ich irgend ein Ding auf dem Flohmarkt entdecke, dass ich entweder selbst immer haben wollte oder das durch Unwissenheit viel zu günstig angeboten wird, was außer mir natürlich keiner weiß.
Das ist natürlich ein ziemlich blöder Grund. Noch dazu, weil es ansonsten nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, mich durch Menschenmassen zu bewegen oder, ganz grundsätzlich, überhaupt einkaufen zu müssen.
Heute gab es genau ein Ding, das mich interessiert hat: Ein Kameraobjektiv, das auf meine Kamera passen würde und auch, trotz des Alters, ganz gut aussah. Inzwischen habe ich ein Smartphone und schlage in solchen Fällen natürlich sofort nach, ob der angegebene Preis in Ordnung ist. Leider (oder zum Glück) konnte mir das Internet bei diesem Modell nicht weiterhelfen. Und da ich in den letzten Monaten schon öfter von meiner früher problemlos erfüllbaren Regel abgewichen bin („Ich sollte wenigstens eine Sache kaufen, damit sich der Besuch des Flohmarkt wenigstens gelohnt hat.“), fuhr ich dieses Mal auch wieder ohne Kauf davon.
Alles in allem also ziemlich unsinnig, und doch sehr menschlich. Meine Neugierde, mein Hobby-Archäologentum im Bereich „Ramsch“ und die leise Hoffnung das eigene Erfolgskonto doch irgendwann wieder auf Null zu bringen (d.h. den „Casio-Fluch“ loszuwerden) — ich befürchte, das treibt mich dann doch immer mal wieder auf einen Flohmarkt, wenn die Sonne scheint und ich mir aus Gewohnheit denke: „Ach ja, da könnte ich ja mal hingehen.“
Read More
Neueste Kommentare