— Der Inventing Room!

Arbeit, Schmarbeit und zerlegte PCs

Ich habe in den ver­gan­ge­nen zwei Wochen zwei Semi­na­re mit­ge­stal­tet und ich glau­be, ich habe selbst am meis­ten gelernt.

Zunächst hat­te ich die Auf­ga­be, 10 Schü­lern und 1 Schü­le­rin der 8. Klas­se das The­ma „Hard- und Soft­ware­ent­wick­lung“ im Rah­men einer Berufs­in­for­ma­ti­ons­wo­che näher zu brin­gen, was prak­tisch dar­in bestand, mit der Ardui­no-Platt­form eige­ne klei­ne Schal­tun­gen auf­zu­bau­en und zu pro­gram­mie­ren. Danach habe ich im DGB-Semi­nar Wenn die Fabrik auf den Schreib­tisch passt … Wie die Digi­ta­li­sie­rung Arbeits- und Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen ver­än­dern wird 14 Teilnehmer_innen (zwi­schen 40 und 70 Jah­ren) etwas über die Arbeits­be­din­gun­gen in Cowor­king-Spaces und Fab­labs erklärt und die im Semi­nar noch ent­stan­de­nen Eigen­krea­tio­nen live auf mei­nem 3D-Dru­cker aus­ge­druckt.

Es war des­halb so lehr­reich, weil ich sonst meist nur mit Men­schen mei­ner Alters­klas­se zu tun habe, sagen wir mal groß­zü­gig zwi­schen 20 und 40 Jah­ren. So unter­schied­lich die­se Men­schen auch manch­mal sind, so haben sie doch zum Teil ähn­li­che Grund­an­sich­ten und -fähig­kei­ten, auf die ich mich in einem Work­shop oder sons­ti­gen Semi­nar ver­las­sen kann, z.B. den Umgang mit Com­pu­tern und ande­ren Medi­en. Außer­dem ist eine gene­rel­le Offen­heit für den gan­zen The­men­be­reich vor­han­den und alles, was ich ihnen erzäh­len und bei­brin­gen kann, passt irgend­wie ohne gro­ße Brü­che in ihre Wahr­neh­mung der Welt.

Bei den Jugend­li­chen hat­te ich das zusätz­li­che Pro­blem, dass die­se deut­lich weni­ger auf­merk­sam waren, als ich es von (erwach­se­nen) Teilnehmer_innen gewöhnt war. Eine Tat­sa­che, die nicht nur etwas mit dem Alter zu tun hat­te, son­dern auch damit, dass die­se Berufs­ori­en­tie­rungs­wo­che direkt vor den Som­mer­fe­ri­en lag und außer Anwe­sen­heit nicht viel bewie­sen wer­den muss­te. Anstel­le eines Publi­kums, das mit einem Lern­in­ter­es­se bewusst zu mir gekom­men ist (und dafür sogar ggf. bezahlt hat), hat­te ich hier also eine Grup­pe vor mir, die sich nicht unbe­dingt für die Inhal­te inter­es­sier­te und sich dar­über hin­aus natür­lich auch gehö­rig selbst im Weg stand, wie es in der Puber­tät oft üblich ist.

Es gibt aber kei­nen Grund, die Jugend­li­chen schlecht zu reden: Immer­hin haben wir es nach vier Tagen geschafft, in fünf Grup­pen ein funk­tio­nie­ren­des Gerät oder eine Schal­tung zu bau­en und die­se auch am abschlie­ßen­den Frei­tag zu prä­sen­tie­ren. Zwi­schen­durch hat­te ich aber auch das Gefühl, am fal­schen Ort bzw. deut­lich unter­qua­li­fi­ziert zu sein. Es ist nicht so leicht, die mit­un­ter sehr kur­zen Auf­merk­sam­keits­fens­ter erfolg­reich zu nut­zen: Tri­al and Error, also das Aus­tes­ten und Her­um­spie­len an Schal­tun­gen und im Code durf­ten nie zu lan­ge dau­ern, ansons­ten riss irgend­wie der Ver­ständ­nis­fa­den zwi­schen Ursa­che und Wir­kung und irgend­ein Brow­ser­spiel (oder Jap­py) wur­de doch wie­der inter­es­san­ter.

Als sehr inter­es­san­tes (und uner­war­te­tes) Unter­richts­mit­tel erwie­sen sich dabei 2 sehr alte Desk­top-PCs und ein defek­ter Lap­top, die wir als mög­li­ches Anschau­ungs­ma­te­ri­al im Semi­nar hat­ten. Die Idee war, zu Beginn erst ein­mal die­se Gerä­te zu zer­le­gen und so ein wenig Hard­ware-Wis­sen zu ver­mit­teln. Prak­tisch hat­te ich am ers­ten Tag den Jungs mit dem meis­ten Geha­be in einer gewis­sen Rat­lo­sig­keit erlaubt, die Gerä­te aus­ein­an­der zu schrau­ben. In den fol­gen­den Tagen kam es dann immer nach zwei bis drei Stun­den dazu, dass die­se Schü­ler in einem Moment von Lan­ge­wei­le und Akti­ons­drang die Com­pu­ter­tei­le immer wei­ter zer­leg­ten und ato­mi­sier­ten. Das schien aber auch immer eine erlö­sen­de Wir­kung zu haben, so dass sie danach wie­der dem Semi­nar fol­gen konn­ten. Inso­fern: Ein Schrott­hau­fen zum Aggres­si­ons­ab­bau könn­te päd­ago­gisch hilf­reich sein.

Mei­ne Ziel­grup­pe in der dar­auf fol­gen­den Woche kann­te puber­tie­ren­de Schü­ler dage­gen vor allem als eige­ne Kin­der und Enkel und brauch­te kei­ne Zer­streu­ung durch Zer­stö­rung. Was ich hier gelernt habe, ist vor allem die hilf­rei­che Sicht von außen auf das, was wir (also ich und mein Umfeld) hier in Ber­lin „Arbeit“ nen­nen. Das war einem Besuch bei mei­nen Eltern und Groß­el­tern nicht unähn­lich: Man braucht auch immer wie­der ande­re Wor­te, um die eige­ne Tätig­keit zu beschrei­ben und außer­dem kommt man sich dabei immer ein wenig lächer­lich vor, weil es inner­halb die­ses Ber­lin­kon­tex­tes alles immer so stim­mig scheint und dann von Extern betrach­tet auch immer ein Stück weit in sich zusam­men fällt.

Da saßen also gestan­de­ne Men­schen, die im Ruhr­ge­biet und in klei­nen Städ­ten an der Gren­ze drei­er Bun­des­län­der in Betrie­ben und Ver­wal­tun­gen arbei­ten und Auto­tei­le her­stel­len, Berufs­an­fän­ger bera­ten und Betriebs­ab­läu­fe über­wa­chen, und außer­dem in der einen oder ande­ren Wei­se gewerk­schaft­lich aktiv sind. Das Semi­nar fand nicht zufäl­lig im beta­haus in Ber­lin statt, wo die meis­ten Men­schen anders, frei­er und meis­tens pre­kä­rer arbei­ten und für die es eigent­lich kei­ne Gewerk­schaft gibt.

Die Iro­nie, dass ich als Teil die­ser pre­kä­ren Grup­pe etwas Geld damit ver­dien­te, die­sen Teilnehmer_innen eben genau auch davon zu berich­ten (und dies auch neu­tral, kri­tisch und distan­ziert zu tun), blieb uns allen natür­lich nicht ver­schlos­sen. Inter­es­sant natür­lich auch der immer wie­der her­vor­kom­men­de Unglau­be, dass die Men­schen im beta­haus sich die­ses Leben nicht nur z.T. selbst aus­ge­sucht hat­ten, son­dern es auch gar nicht als so ein gro­ßes Pro­blem ansa­hen, aus dem man mög­lichst schnell wie­der her­aus­kom­men soll­te.

Ich kann also am Ende gar nicht sagen, ob ich die Grup­pe über­zeugt habe, dass Arbeit und Leben auch so aus­se­hen kann, oder ob die Grup­pe mich dazu gebracht hat, das alles mal wie­der etwas kri­ti­scher zu sehen. Inter­es­sant war das Semi­nar alle­mal; es ging um Open Source und Fab­bing und die digi­ta­le Bohè­me und das Bedin­gungs­lo­se Grund­ein­kom­men, was ja alles auch immer etwas zusam­men­hängt, aber sicher auch eine Men­ge an halb­ga­ren Ide­en für jeman­den dar­stellt, der dem erlern­ten Beruf seit Jahr­zehn­ten treu ist und ein gutes Leben führt, in dem der Com­pu­ter hin und wie­der als bes­se­re Schreib­ma­schi­ne vor­kommt.

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