— Der Inventing Room!

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Das Leben

Neu­lich schrieb ich ins Inter­net, ich wür­de durch mein häu­fi­ges Bahn­fah­ren lang­sam zum IC-Fan. Nicht nur, dass man eini­ge Euro spart (bei acht bis zehn Fahr­ten im Monat sum­miert sich auch das), ich mag die­se Züge in 80er-Jah­re-Pas­tell­far­ben irgend­wie.

Gera­de sit­ze ich auch in einem Abteil, das Mint-Flie­der-Niko­tin-far­ben ein­ge­rich­tet ist und fin­de es sehr gemüt­lich. Es hat etwas von die­ser Bahn­fahr­ro­man­tik, die beim ICE ver­lo­ren gegan­gen ist; der fühlt sich eher an wie ein Flug­zeug auf Schie­nen.

Ich mag die­se klas­si­schen Zug­fens­ter, deren obe­re Hälf­te man nach unten schie­ben kann und die eige­nen Reg­ler für Hei­zung und Laut­stär­ke der Durch­sa­gen. Ich mag auch die­se Schie­be­gar­di­nen, die oft genug aber auch ein­fach schon ver­lo­ren gegan­gen sind, und das alte DB-Logo, das im Spie­gel über jedem Sitz ein­ge­ätzt ist.

Natür­lich ist es lau­ter hier, die Schie­be­fens­ter sind nicht voll­stän­dig dicht und oft braucht man mit einem IC län­ger ans Ziel. Auf mei­nen Stamm­stre­cken von Han­no­ver nach Ber­lin und Ham­burg fällt das aber kaum ins Gewicht. Die paar Minu­ten Fahrt­ver­län­ge­rung macht der Zug, in dem mir die Zeit ange­neh­mer ver­geht, wie­der wett.

Oh weh, sag­te das Inter­net: Da gibt es ja gar kein Inter­net an Bord. Und auch kei­ne Steck­do­sen. Ich sage: Mir doch egal. Für die maxi­mal zwei Stun­den, die ich hier sit­ze, brau­che ich kei­nen zusätz­li­chen Strom. So lan­ge hal­ten es Lap­top und Han­dy auch mit ihren Akkus aus.

Und Inter­net? Bis vor kur­zem hat­te man in den ICE-2-Zügen von Ber­lin aus eh kein Inter­net, ich habe es also nie ver­misst. Vor eini­gen Jah­ren habe ich mich sogar noch dar­über gewun­dert, wenn ande­re Leu­te, die viel Nord-Süd fah­ren, von den Pro­ble­men mit dem Wlan im Zug berich­te­ten. Es gibt Inter­net bei der Bahn?

Oft habe ich mei­ne Gerä­te nicht mal an. Ich schaue jeden Werk­tag acht Stun­den auf einen Moni­tor, davor und danach auch. Ich brau­che die­se 200 Minu­ten in der Woche nicht unbe­dingt einen Bild­schirm. Manch­mal schon — wenn ich gera­de etwas im Kopf habe, das ich auf­schrei­ben möch­te, so wie jetzt gera­de. Aber dafür reicht, wie gesagt, das Off­line-sein und der Lap­top­ak­ku.

Die Beschleu­ni­gung, die Rei­se sorgt bei mir näm­lich meis­tens für eine Ent­schleu­ni­gung. Hier kann ich über das ver­gan­ge­ne Wochen­en­de oder die ver­gan­ge­ne Woche sin­nie­ren oder mir eine Ver­schnauf­pau­se gön­nen, bevor der Arbeits- oder Frei­zeit­stress wie­der beginnt. Dabei mal nicht die gan­ze Welt in einem Gerät zur Ver­fü­gung zu haben, ist extrem ent­span­nend.

Eigent­lich fah­re ich ja Bahn, um irgend­wo hin zu kom­men. Dass ich aber gleich­zei­tig nicht nur geo­gra­fisch, son­dern auch gedank­lich von Din­gen Abstand neh­me, gehört für mich zu den bes­ten Momen­ten mei­ner Wochen. Und irgend­wie geht das im gemüt­lich mensch­li­chen IC bes­ser als im effek­tiv arbeit­sa­men ICE.

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Der 29C3 war mein neun­ter Con­gress in Fol­ge. Er war, auf zwei ver­schie­de­nen Ebe­nen, für mich ziem­lich gut und ziem­lich schlecht. Noch nie habe ich mich auf einem Con­gress so unwohl gefühlt, gleich­zei­tig noch nie so vie­le neue Leu­te ken­nen­ge­lernt. Die Orga, die Tech­nik, die Loca­ti­on, die Talks, die Assem­blies, alles super­toll, und dar­auf bezieht sich auch die Kri­tik, die ich noch anzu­brin­gen habe, ganz und gar nicht.

Die Fra­ge ist für mich, wel­chen Stel­len­wert tat­säch­lich vor­kom­men­de Vor­fäl­le wie eine sexis­ti­sche Mode­ra­ti­on, die Redu­zie­rung von Frau­en auf kopf­lo­se Kör­per oder das Hacken von Asher Wolfs Blog für ver­schie­de­ne Anwe­sen­de haben.

Für die Mehr­heit (wür­de ich ver­mu­ten) sind sol­che Vor­komm­nis­se, sofern sie bemerkt wer­den, Klei­nig­kei­ten. Selbst wenn man sie unschön fän­de, befle­cken sie die gesam­te Ver­an­stal­tung nicht. Sie haben den Stel­len­wert eines zer­bro­che­nen Tel­lers einer Groß­kü­che: Pas­siert, fällt aber nicht ins Gewicht. Ver­lust von einem Pro­mil­le.

Für vie­le ande­re Men­schen, und da schlie­ße ich mich ein, haben die­se Vor­fäl­le ein ande­res Gewicht. Sie sind der Cho­le­ra-Ein­zel­fall auf dem Kreuz­fahrt­schiff oder die Hun­de­ka­cke am Saum vom Hoch­zeits­kleid: Das unschö­ne Tau­sends­tel macht die Gesamt­si­tua­ti­on gefähr­lich oder uner­träg­lich.

Leu­te, die ich sehr schät­ze, sind dem 29C3 von vorn her­ein fern­ge­blie­ben, haben sich dort sehr unwohl gefühlt und/oder sind gleich frü­her abge­reist. (Da hilft auch kein Hin­weis, dass es vor 10 Jah­ren noch viel schlim­mer war.) Mir ist klar: Das will ich nicht. Ich füh­le mich dem Con­gress ver­bun­den und konn­te daher auch nicht anders, als noch auf der Ver­an­stal­tung selbst eine Klä­rung und Pla­nung anzu­schie­ben. Dass zu die­sem soge­nann­ten #policc­cy-Tref­fen rund 100 Anwe­sen­de erschie­nen, zeigt mir, dass ein tat­säch­li­cher Hand­lungs­be­darf besteht.

Ich hof­fe sehr, dass aus dem Hick­hack und der Wut der letz­ten Tage eine kon­struk­ti­ve Situa­ti­on für die Pla­nung und Durch­füh­rung des 30C3 ent­steht. Ich bin jeden­falls dazu bereit, mit mei­ner Zeit und mei­nen Ide­en einen Bei­trag dazu zu leis­ten. Der CCC ist kein homo­ge­nes Gebil­de: Ich habe meh­re­re unschö­ne Aktio­nen „hoch­ran­gi­ger“ Mit­glie­der erlebt, in glei­cher Wei­se aber auch mit lang­jäh­ri­gen Orga-Mit­glie­dern gere­det, die mei­ne Beden­ken weit­ge­hend tei­len. Die­se Posi­tio­nen müs­sen wir stär­ken.

Noch zwei Sät­ze zu den Cree­per Move Cards: Die inten­dier­te Wir­kung wur­de ver­fehlt und ich bin mitt­ler­wei­le auch nicht mehr davon über­zeugt, dass die Akti­on in die­ser Form eine gute Idee war. Ich hof­fe, dass in den lau­fen­den und noch kom­men­den Dis­kus­sio­nen die Kar­ten-Akti­on und das grö­ße­re Anlie­gen (näm­lich, dass der Con­gress ein Pro­blem mit Sexis­mus hat) getrennt von­ein­an­der behan­delt wer­den. Die not­wen­di­ge Dis­kus­si­on steht jetzt im Raum und da ist es mir rela­tiv egal, ob sie durch eine gelun­ge­ne oder nicht gelun­ge­ne Akti­on dahin gelangt ist.

Mein Bauch­weh wäh­rend des und nach dem 29C3 lässt sich grob so ein­tei­len:

Lagerbildung und Ausgrenzung

Vie­le wur­den nicht müde, ein „wir hier“ und ein „die da“ auf­zu­bau­en: „Ihr kommt hier her zu uns und macht…“ warf ein Orga-Mit­glied der Flau­sche­ria vor. Die Ver­ein­nah­mung der Mehr­heit für die eige­ne Mei­nung hal­te ich ange­sichts des star­ken und beson­ders geschätz­ten Indi­vi­dua­lis­mus in der Hacker­kul­tur für falsch.

Der Con­gress besteht aus Men­schen, ohne sie wäre er nur ein lee­res Gebäu­de mit bun­ten Schein­wer­fern. Es gibt hier nur die „Basis“, aus der sich Frei­wil­li­ge mel­den, um sich auf ver­schie­de­ne Arten zu betei­li­gen, kei­ne Hier­ar­chie. Mit den Zie­len und dem Selbst­bild des Clubs kön­nen sich alle sicher zu gro­ßen Tei­len iden­ti­fi­zie­ren, aber nicht immer wäh­len sie die­sel­ben Metho­den der Umset­zung. Nie­mand soll­te sich anma­ßen, auf­grund der eige­nen Mei­nung die­se Grup­pe der Hacker_innen in „wir“ und „ihr“ zu unter­tei­len.

Am Ende der erwähn­ten Dis­kus­si­on stand eine schlaue Fra­ge von fasel an das Orga-Mit­glied: „Wer wirft dich raus, wenn du dich dane­ben benimmst?“

Fehlende Solidarisierung

Wäh­rend des Con­gres­ses gab es meh­re­re Aus­sa­gen von anwe­sen­den Hacke­rin­nen auf Twit­ter und in län­ge­ren Tex­ten, dass sie sich auf dem Con­gress (immer) sehr wohl gefühlt hät­ten und kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung erlebt oder mit­be­kom­men hät­ten. Dar­über soll­te man sich sicher freu­en und dar­an auch kei­nen Zwei­fel äußern.

Was ich hier aber ver­mis­se, ist die feh­len­de Soli­da­ri­sie­rung mit Men­schen, die nicht so viel Glück haben. Das klingt für mich zu sehr nach „Selbst schuld“, einem der per­fi­des­ten Mecha­nis­men der Unsicht­bar­ma­chung von gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men. „Ich bin eine Frau und ich wur­de nicht beläs­tigt, daher müs­sen sol­che Vor­fäl­le indi­vi­du­el­le Grün­de haben“ ist ein fata­ler Fehl­schluss.

Das ist kein sel­te­nes Phä­no­men: Es gibt genug erfolg­rei­che Frau­en, die behaup­ten, Femi­nis­mus sei unnö­tig und es müs­se sich jede halt selbst durch­set­zen — man selbst habe es ja auch geschafft.

Außer­dem soll­te es klar sein, dass Aus­sa­gen wie „ich füh­le mich hier 100% sicher“ Applaus von den fal­schen Leu­ten bekom­men. Die­se Sät­ze wer­den näm­lich immer wie­der gern als Beweis geführt, dass Opfer von Dis­kri­mi­nie­rung sich irren müs­sen.

Daher wür­de ich mir wün­schen, dass Hackerinnen/Hacksen, die sich beim Con­gress wohl füh­len, dar­an mit­ar­bei­ten, die­se Situa­ti­on für alle her­zu­stel­len.

Paternalismus

Die Mit­glie­der des CCC las­sen sich nicht ger­ne von ande­ren sagen: Ver­trau uns, wir machen das schon. Das macht sie miss­trau­isch und an die­sen Stel­len in Gesell­schaft und Poli­tik set­zen sie mit not­wen­di­ger Kri­tik an. Einer Obrig­keit, einem Kon­troll­organ blind zu ver­trau­en, käme nicht in Fra­ge.

Inso­fern mutet es sehr merk­wür­dig an, wenn Frank Rie­ger in der Abschluss­ver­an­stal­tung genau das in der Cau­sa Awa­reness for­dert: Lasst uns mal machen, wir küm­mern uns. Die Leu­te, die das Hacker-Jeo­par­dy wegen der sexis­ti­schen Mode­ra­ti­on ver­las­sen haben, ver­trau­en der Orga ganz sicher nicht. Und wenn man einer Instanz nicht ver­traut, nimmt man (allein aus Selbst­schutz) die Sachen selbst in die Hand. Wenn das nicht Hack­ti­vis­mus ist, was dann?

Gleich­zei­tig wird deut­lich, dass es unmög­lich ist, auf einem öffent­li­chen Podi­um in der Rol­le eines CCC-Spre­chers eine pri­va­te Aus­sa­ge zu tref­fen: Frank hat­te zu den Cree­per Cards gesagt, es sei sei­ne per­sön­li­che Mei­nung, dass „wir so etwas nicht brau­chen“. In der Zusam­men­fas­sung auf hei­se online wird dar­aus der offi­zi­el­le Stand­punkt des Clubs. Ich bin rela­tiv sicher, dass Frank das dort nicht rich­tig­stel­len wird.

Außenwirkung

Pro­ble­ma­tisch fand ich den Hin­weis beim Policc­cy-Mee­ting, das ein öffent­lich­keits­wirk­sa­mes Auf­re­gen über Vor­fäl­le, etwa bei Twit­ter, eine nega­ti­ve Außen­wir­kung auf den Con­gress haben könn­te. Die Ver­an­stal­tung kön­ne schlech­ter rüber­kom­men, als sie sei und dadurch sogar Leu­te vom Besuch abhal­ten.

Das macht mich sau­er: Wenn ich mich schlecht füh­le, ist mir so etwas Abs­trak­tes wie Außen­wir­kung wirk­lich egal. Die Auf­for­de­rung kommt mir viel zu nah an Din­ge wie Selbst­zen­sur, „hab dich mal nicht so“ und Intrans­pa­renz. Im CCC ist man dage­gen immer ganz vor­ne mit dabei, sich über Medi­en­fails und Leaks ande­rer Orga­ni­sa­tio­nen lus­tig zu machen.

Es ist sicher kei­ne ein­fa­che Auf­ga­be für die Con­gress-Orga, sich par­al­lel zu einer Ver­an­stal­tung auch noch mit deren Außen­wir­kung aus­ein­an­der zu set­zen und sou­ve­rän auf Beschwer­den und Debat­ten zu reagie­ren. Hier um der schö­nen Ver­an­stal­tung wil­len aber um Beherr­schung zu bit­ten, wird nicht funk­tio­nie­ren.

Eingestehen eigener Fehler

Din­ge, die ich gehört habe: Wir haben kein Pro­blem. Es ist doch schon viel bes­ser gewor­den, was denn noch? Wir küm­mern uns drum. Wenn man auf eine Hacker­kon­fe­renz kommt, muss man damit rech­nen. Wir haben eine Poli­cy.

Din­ge, die ich gern noch öfter hören wür­de: Wir haben ein Pro­blem, und wir wol­len es lösen. Es ist bes­ser gewor­den, aber noch nicht gut genug. Wir wür­den uns ger­ne dar­um küm­mern, bit­te helft uns dabei. So etwas soll­te auf einer Hacker­kon­fe­renz nicht pas­sie­ren. Wir müs­sen unse­re Poli­cy bes­ser durch­set­zen.

Ausblick

Ich wür­de ger­ne eine Debat­te zu all dem sehen. In den Hacker­spaces, im Club, in den Medi­en und zwi­schen uns allen. Und ich wür­de mich freu­en, wenn das Ergeb­nis nicht nur ein bes­se­rer Con­gress in Form eines siche­ren 30C3 wür­de, son­dern auch dort vor Ort wei­ter dis­ku­tiert wür­de. Was bedeu­tet das Selbst­ver­ständ­nis von Hacker_innen? Wo muss man anset­zen, um Räu­me sicher zu gestal­ten? Wie geht man mit Men­schen um, die dem ent­ge­gen­wir­ken wol­len?

Am Ran­de habe ich erfah­ren, dass die quee­ren Anwe­sen­den bei einem Mee­ting dar­über gespro­chen haben, 2013 selbst eine Assem­bly (oder meh­re­re) zu bil­den, um bes­ser sicht­bar zu sein und eine siche­re Anlauf­stel­le zu haben. Das freut mich sehr. Ich hof­fe auch, dass ich mit mei­nem Wunsch, das Awa­ren­ess­team auf dem 30C3 deut­lich sicht­ba­rer zu machen, Erfolg habe.

Einer der bes­ten Tweets wäh­rend des 29C3 kam von Lot­te, die die­ses Mot­to für den 30C3 vor­schlug:

Mein Mottovorschlag für den 30c3: Shooting the messenger.

Das bezieht sich natür­lich auf das Gefühl, das vie­le wäh­rend des Con­gres­ses hat­ten: Pro­ble­ma­tisch sei­en nicht sexis­ti­sche Vor­fäl­le, son­dern die­je­ni­gen, die dar­auf hin­wei­sen.

Ich hal­te das, Sar­kas­mus hin oder her, für eine sehr gute Idee mit Signal­wir­kung und genau auf der Linie der Kon­gress­the­men: 2013 wird über Wiki­leaks ver­han­delt, das The­ma Whist­leb­lo­wing ist nicht durch. Auch der CCC und die Hacker­com­mu­ni­ty stand und steht für die Offen­le­gung von uner­wünsch­ten Machen­schaf­ten oft in der Kri­tik, obwohl sich die Empö­rung gegen die eigent­li­chen Ver­ur­sa­cher rich­ten soll­te. Als fol­low-up zu „Not my depart­ment“ (oh the iro­ny) könn­te ich mir kein bes­se­res Mot­to als „Shoo­ting the mes­sen­ger“ vor­stel­len.

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Ergänzungen seit Veröffentlichung

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Juli­an hat mich auf die Idee gebracht, dass ich ja mal etwas über Musik blog­gen könn­te. Ich hab echt wenig gehört die­ses Jahr, weni­ge neue Sachen — trotz Diens­ten wie Sim­fy und Spo­ti­fy. Vie­le Erkennt­nis­se 2012 stam­men daher wohl aus Mona­ten, in denen ich zufäl­lig mal eine intro gele­sen habe. In der Rei­hen­fol­ge, wie sie mir ein­ge­fal­len sind:

Mittekill — All but bored, weak and old

Ach, Mit­te­kill. Ach, Fried­rich. Mein Lieb­ling. Ein ganz tol­les Album. 13 Songs, die alle so unter­schied­lich sind, als wäre es ein Mix­tape mit 13 Bands. Eng­lisch, Deutsch, Geschram­mel, gro­ßer Pop und Tech­no. Songs über Abschie­de, das Leben in Ber­lin, Exis­tenz­ängs­te und gro­ben Unfug. Und live mit Band so laut und her­vor­ra­gend wie lan­ge nicht. Lieb­lings­al­bum 2012.

Stabil Elite — Douze Pouze

The sound of Düs­sel­dorf, kann man nicht anders sagen. Sta­bil Eli­te sind halb Fehl­far­ben, halb Kraft­werk. (Die­se For­mu­lie­run­gen hört man oft, aber dies­mal stimmt es wirk­lich!) Hal­lo 1980. Nach­kriegs­be­ton. (In „Milch­stra­ße“ sin­gen sie „Metall auf Beton“ und die Akkor­de sind die von „Metro­po­lis“.) Extrem super. Ich stel­le mir vor, dass die Musi­ker pri­vat unan­ge­neh­me Schnö­sel sind, aber ihre Syn­the­si­zer hät­te ich sehr gern für mich selbst. Super pro­du­ziert, als ob sie es für Vinyl gemischt hät­ten, irgend­wie. Die Höhen und so.

Im sel­ben Rutsch kann man sich eigent­lich auch noch das neue Fehl­far­ben-Album, Xeno­pho­nie, anhö­ren. Geht gut.

The Kings of Dubrock — Fettucini

Rica Blunck, Vik­tor Marek und Jac­ques Pal­min­ger. Ich weiß gar nicht, was ich dazu schrei­ben kann. Es ist wirk­lich Dub, es ist unglaub­lich unsin­nig (manch­mal wün­sche ich mir, Pal­min­ger wür­de weni­ger labern) und es macht unglaub­lich viel Spaß. Die­ser Bass! Die­se lang­sa­men Beats! Die Idee, MDMA zu „magst du mich auch?“ zu backro­ny­mi­sie­ren! Das bringt gera­de in die­sem Matsch­wet­ter den Som­mer zurück.

The 2 Bears — Be Strong

Bes­tes Neben­pro­jekt von Hot Chip, der bes­ten Band aus Eng­land momen­tan. Wür­de es so etwas wie intel­li­gen­tes Vor­glü­hen an einem Sams­tag Abend geben, The 2 Bears wäre mein Sound­track. House­pop. Bass, Strei­cher, Gesang. Die wun­der­bar blö­de Sin­gle „Bear Hug“ hat die­sen herr­lich stump­fen 2step-Beat und bringt mich zum Lachen und zum Tan­zen. Und die zwei Her­ren sind knud­de­li­ge dicke Bart­trä­ger, Bären eben. Love.

Hot Chip — In Our Heads

Bewährt guter eng­li­scher Nerd-Tanz­kram. Ich glau­be nicht, dass In Our Heads mein Lieb­lings­al­bum von Hot Chip wird, aber es hat alle Zuta­ten. Haben die­sel­ben Moogs wie Sta­bil Eli­te, machen dar­auf aber ganz ande­re, sehr war­me Musik. Eines der weni­gen Live-Kon­zer­te, die ich die­ses Jahr besucht habe. Ich wäre gern die­se Band.

Pet Shop Boys — Elysium

Ich bin noch nicht damit ver­söhnt, ich muss es noch etwa 100 Mal hören. Die Pet Shop Boys haben ja so ein paar musi­ka­li­sche Grund­pa­ra­me­ter, in denen sie sich bewe­gen. Sie ach­ten offen­bar dar­auf, dass jedes Album inner­halb die­ser Para­me­ter sich so sehr vom Vor­gän­ger­al­bum unter­schei­det wie mög­lich. Nach dem Hören von „Ely­si­um“ gefiel mir „Yes“ von 2009 dann auf ein­mal. Bei Ely­si­um dau­ert es noch. Was ich nicht ver­zei­he, ist die Album­sin­gle „Win­ner“, einer der schlech­tes­ten Songs der Her­ren über­haupt, iro­ni­scher­wei­se mit 3 sehr guten B-Sei­ten. Sie spie­len Sil­ves­ter beim ZDF am Bran­den­bur­ger Tor. Na ja.

Brockdorff Klang Labor — Die Fälschung der Welt

Das Elek­tro­po­p­trio aus Leip­zig. Ich hat­te BKL schon fast ver­ges­sen, da nach dem Debüt­al­bum 2007 nie wie­der was gekom­men war — manch­mal ver­schwin­den Bands ja auch wie­der. Ich ste­he total auf den Zusam­men­klang der bei­den Gesangs­stim­men. Die Musik ist hin und wie­der etwas ein­tö­nig, das ist aber genau der Trade­marksound der Band: Syn­the­si­zer­p­re­sets, hier und da quillt ein biss­chen Dark­wa­ve her­vor. Dafür gibt’s schlaue Tex­te über Guy Debord, das Ende der DDR und die Flücht­lings­po­li­tik der EU.

Bernadette La Hengst — Integrier mich, Baby

Dar­auf hat mich erst ihdl gebracht. Ich kann­te die Künst­le­rin nament­lich, hat­te ihre Musik aber für wesent­lich sprö­der (a la Chris­tia­ne Rösin­ger) gehal­ten (no offen­se). Aber nein, Ber­na­det­te La Hengst macht extrem wit­zi­ge Pop­mu­sik. Tanz­bar, iro­nisch, schlau. Femi­nis­mus, Kör­per, Poli­tik, Kör­per­po­li­tik, Lie­be im Kapi­ta­lis­mus.

Kid Kopphausen — I

Erst durch den Tod von Nils Kopp­ruch in mei­ne Wahr­neh­mung gerückt, sehr sehr scha­de. Lie­der­ma­cher-Gitar­ren-Wild­west-Män­ner­kram. Für Aben­de am Feu­er und im Sat­tel. Hät­te gern noch mit Kid Kopp­hau­sen rum­ge­ses­sen.

First Aid Kit — The Lion’s Roar

Zwei schwe­di­sche Schwes­ten (Kla­ra und Johan­na Söder­berg) sind voll jung und machen wun­der­bar über­pro­du­zier­ten Folk. Wenn sie in ihren Vide­os durch die Fel­der lau­fen, weiß man nicht, ob das gera­de Süd­schwe­den oder der Mitt­le­re Wes­ten ist. Genau so klin­gen First Aid Kit auch. Funk­tio­niert für mich vor allem als Album, nicht unbe­dingt als Ein­zel­ti­tel. Kann Spu­ren von Pathos ent­hal­ten. Dan­kens­wer­ter­wei­se über eine Bespre­chung im Mis­sy Maga­zi­ne gefun­den.

The Brandt Brauer Frick Ensemble — Mr. Machine

Elek­tro­ni­sche Jazz-/Tech­no­mu­sik auf klas­si­schen Instru­men­ten. Klick Plock Ding. Brandt Brau­er Frick. Wor­auf sich sol­che Musik bezieht, hab ich mal an der Uni gelernt und wie­der ver­ges­sen. Intel­lek­tu­el­ler als die unfass­bar guten Die Vögel. Läuft ver­mut­lich auf Ver­nis­sa­gen ganz schlim­mer Künstler_innen.


Ich hab mal aus den Alben die­ser Bands, Künst­le­rin­nen und Künst­ler (und wei­te­ren Songs) ein 2012-Mix­tape zusam­men­ge­baut. Könnt ihr gern hier anhö­ren oder bei Spo­ti­fy abon­nie­ren.

Der Rest

  • Bes­te Sin­gle viel­leicht: San­ti­gold — Dis­pa­ra­te Youth.
  • Bes­te Cover­ver­si­on: My Heart Your Heart — Love will tear us apart.
  • Eigent­lich bes­te Cover­ver­si­on: Bon­nie „Prince“ Bil­ly — I See A Darkness.
  • Bes­tes Video: Solo­mun — Kack­vo­gel.
  • Bes­te Öster­rei­cher: Juli­an und der Fux. Speck­brot. Altes Ego.
  • Ver­dien­te Aner­ken­nung 2012: Laing — Mor­gens immer müde.
  • Bon­digs­ter Bond­song: Ade­le — Sky­fall.
  • Bes­ter Ohr­wurm: Tan­ge­ri­ne Kit­ty — Dumb ways to die.
  • Machen hof­fent­lich bald mal ver­nünf­tig wei­ter: Jeans Team — Men­schen (sind zum Träu­men da).
  • Am meis­ten Bauch­schmer­zen: Die Ant­wo­ort, da unfass­bar gute Beats und krea­ti­ve Vide­os, aber mit homo­pho­ben und ras­sis­ti­schen Momen­ten. 🙁
  • Erkennt­nis des Jah­res: John Wil­liams und Jer­ry Golds­mith haben alles von Gus­tav Holst geklaut.
  • Beach­ten Sie bit­te auch alles, was Enter­tain­ment for the bra­in­dead macht und umsonst ver­schenkt.
  • Tan­zen Sie zu Alle Far­ben.
  • Respek­tie­ren Sie die Fleisch­dolls.
  • Hören Sie die wun­der­bar ver­spul­te Musik aus der welt­bes­ten Car­toon­se­rie Adven­ture Time.
  • Gera­de erst (end­lich) ent­deckt und noch nicht ein­ge­wirkt: Dil­lon, Boy
  • Schöns­tes Kon­zert 2012: Phantom/Ghost
  • Ver­sucht, aber bei mir geschei­tert: Bat for Las­hes. Vom neu­en Album von Cat Power eben­falls unbe­ein­druckt.
  • Was bald kommt: Die Neue von Toco­tro­nic.

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Lie­be Shirt­ver­sen­der,

da ich bei euch um die Ecke woh­ne: Kann ich mein Wunsch-Shirt  auch bei euch abho­len? Irgend­wie wäre das für die paar Meter unsin­nig mit dem Ver­sand.

Gruß
Phil­ip

Hal­lo Phil­ip,

aus irge­nisa­to­ri­schen Grün­den ist das lei­der nicht mög­lich. Tut uns wirk­lich Leid.

Grü­ße,
A[…]

************************************
BESUCHERANSCHRIFT UND
VERSANDANSCHRIFT FÜR RETOUREN:
************************************
[…]
10997 Ber­lin
************************************

Hal­lo A.,

Alles klar; ich dan­ke aber sehr herz­lich für die wun­der­schö­ne ver­se­hent­li­che Wort­schöp­fung „irge­nisa­to­risch“, die ziem­lich genau zum Aus­druck bringt, dass etwas nicht mög­lich ist, aber kei­ner weiß, war­um eigent­lich.

Viel­leicht soll­tet ihr noch das miss­ver­ständ­li­che Wort „Besu­cher­an­schrift“ aus eurer E-Mail-Signa­tur raus­neh­men, damit wirk­lich kei­ner vor­bei­kommt.

Phil­ip

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Moin. Ich habe heu­te auf dem Heim­weg gemerkt: Ich habe immer wie­der hal­be Blog­bei­trä­ge und Ide­en im Kopf, davon ver­ges­se ich zwar 2/3 wie­der, aber den Rest soll­te ich viel­leicht ein­fach mal auf­schrei­ben. Immer dar­auf zu war­ten, bis sich mal die Zeit fin­det, einen gan­zen, durch­dach­ten Arti­kel zu schrei­ben — da kommt ja nie was bei raus. Also ein­fach drauf­los tip­pen. So schnell lan­det man dann doch wie­der beim pri­va­ten Blog­gen, Tage­buch-Style, aber was soll’s.

Ich bin jetzt einen Monat in Han­no­ver. Ich habe irgend­wie noch nicht viel von der Stadt mit­be­kom­men. Die Wochen­en­den war ich bis­her immer noch unter­wegs, die Aben­de habe ich mit diver­sen Sachen gefüllt: Erle­di­gen von Rest­sa­chen, die noch vom Juli übrig waren. Pla­nen, was ich wann von wo nach wo fah­ren muss, was ich kau­fen muss. Her­aus­fin­den, wo ich ein­kau­fe, wie mei­ne Wege sind und wie lan­ge das alles dau­ert. Und mich erho­len.

Denn das muss ich sagen: Ein fes­ter Job kos­tet deut­lich Zeit. Das klingt so selbst­ver­ständ­lich und naiv, aber es ist wie bei vie­len Din­gen: Sich theo­re­tisch Gedan­ken machen ist schön und gut; mit­re­den geht aber dann doch ein­fa­cher, wenn man eine Situa­ti­on selbst mal erfährt.

Schlimm ist das nicht: Die Arbeit macht Spaß, ich wer­de gut behan­delt und habe das Glück, mich nicht für mein Geld kaputt arbei­ten zu müs­sen. Und den­noch: Die 8 Stun­den Arbeit sind mit Hin- und Rück­we­gen inklu­si­ve Ein­kau­fen in Wahr­heit 10. Und auf eine Art ist es tat­säch­lich anstren­gend: Wenn ich nach Hau­se kom­me, ist mein Kopf erst mal voll (oder leer, je nach Sicht­wei­se). Und der Tag ist sozu­sa­gen vor­bei, je nach Fei­er­abend ist noch eine Stun­de Son­ne und Luft drin, oder halt auch nicht.

Und das ist schon etwas ganz ande­res als selbst­be­stimmt etwas zu tun: Sogar bei mög­li­cher­wei­se glei­cher Arbeits­zeit unter­schied sich mein selbst­stän­di­ges Leben deut­lich. Da konn­te ich schon ein­mal an einem Tag spon­tan viel oder wenig (oder gar nichts machen). Am Ende soll­te ich natür­lich das geschafft haben, was ich mir vor­ge­nom­men hat­te. Wenn das beinhal­te­te, erst mal nach dem Früh­stück den hal­ben Tag Frei­zeit zu haben und dann lie­ber Abends zu arbei­ten, war das auch okay.

Spät kom­men oder früh gehen oder mal eine Pau­se machen ist dank Gleit­zeit und fla­cher Hier­ar­chi­en bei mei­nem Job auch kein Pro­blem, es wird nur trotz­dem die Aus­nah­me. Wenn die Son­ne noch so scheint — was bis zum Abend fer­tig sein muss, muss halt gemacht wer­den.

Um dem „Ach!“ aller regel­mä­ßig Lohn­be­schäf­tig­ten zu ent­geg­nen: Das ist, wie oben gesagt, mir auch alles theo­re­tisch bekannt gewe­sen. Aber bei aller Vor­stel­lungs­kraft kann ich jetzt erst sagen, wie es sich anfühlt. Und in die­ser neu­en Situa­ti­on ver­än­dert sich tat­säch­lich der Blick auf die nudel­es­sen­den Ber­li­ner Slacker_innen und ihre ver­meint­li­chen Frei­hei­ten.

 

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